Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Das Wasserschloss vor dem schickhardtschen Umbau“
Etwa zur selben Zeit als das „evang.“ Poltringer Bergschloss gebaut wurde (1613), wurde auch das „kath.“ Wasserschloss umgebaut (1608). Beide Baumaßnahmen liefen interessanterweise jeweils unter der Leitung von Heinrich Schickhardt, dem Hofbaumeister des Herzogtums Württemberg, der zu Poltringen noch weitere bauliche und persönliche Bezüge hatte. Daher ist Poltringen-Ammerbuch heute auch Teil der Europäischen Kulturstraße „Heinrich Schickhardt“, die von der Schweiz über Frankreich bis in unsere Region führt.
Für die Zeit nach dem Umbau gibt es einige Bilder und das Schloss hat bis heute dieses äußere Aussehen beibehalten. Für das Aussehen des Schlosses vor dem Umbau ist bisher nur ein einziges, hier gezeigtes Bild bekannt.
Dieses Aquarell des Wasserschlosses eines unbekannten Zeichners von Norden, das vor 1608 und ggf. schon im 16. Jahrhundert entstanden sein muss, ist Teil eines Aktenbündels. Diese Dokumentensammlung betrifft die jahrzehntelang dauernden Verhandlungen zwischen Österreich und Württemberg zu den komplizierten Besitzverhältnissen vor Ort, die sich durch die Herrschaftsrechte der beiden religiös verfeindeten Nachbarländer in Poltringen ergaben.
Man sieht auf dem steinernen Sockelgeschoß der vierflügelig angelegten alten Wasserburg, das Schickhardt für den Nachfolgerbau übernahm, einen einstöckigen Fachwerkaufsatz sitzen. Das Bild enthält bei näherer Betrachtung einige interessante Details, die so bisher nicht bekannt waren. Die Gebäude und Geländegegebenheiten tragen zudem meist eine Beschriftung. Diese lautet transkribiert im Uhrzeigersinn beginnend oben, im Norden mit dem Keller auf der anderen Ammerseite beginnend folgendermaßen (Transkription: Dieter Christ, Boris Dieter und Reinhold Bauer):
- Am oberen Bildrand: „alles Wolken – – steinische – – Äcker“
- Keller: „der alte Keller, im Lehenbrief bemelt (genannt)“
- Mühle: „die eingenommene Müle“
- Gebäude: „Sawstegen“ (Saustall, die drei zugeklappten Futtertröge sind erkennbar)
- Scheuer: „Scheuer zum Schloß“
- Acker: „Acker, der im Lehenbrief inßerirt“
- Weg nach Oberndorf: „Fußpfad zu der Mühle, über österreichisch Acker“ (Ammerbrücke gab es wohl schon seit mindestens ca. 1600)
- Ammer: „Das Wasser die Ammer genannt, so die Mühl treibt und allein Wolkenstein zugehörig“
- Schloßscheuer: „Der neue Bau“
- Westlicher Banngarten: „Baumgarten so Eigentumb“
- Innenhof: „Der Schloßhof, darinnen die Fron all den Inhabern des Schloßes zugehörig, auch einzig allein von denselben eingezogen werden und der Burgfrid ist“
- Pferdestall und Scheune: „Roßstall und Kornschütte zum Schloß“
- Straße nach Reusten: „Straß zu d Pfarrkirch undt Closter“
- Weinberge: „Wolkensteinische Weingärten“
- Schloßweinberg- / Taläckerstraße: „Straß auf die Äcker“ (gegenüber der dort eingezeichneten etwaigen Kelter ist ein bisher unbekannter Keller- oder Stolleneingang eingezeichnet, eventuell der „neue Keller“ im Bau?)
- Hottenberg: „alle Wolken …. stein …. nische …. Äcker“
- Scheune: „Scheuer“
- Wassergraben: „Schloßgraben“
- Hauptstraße: „Straß zwischen den Weingarten so österreichisch und diselben Garten, darüber man zu der Mühle fahren muß“
- Backhaus: „Backhaus zum Schloß, auch im Lehenbrief“
- Taubenhaus und Roggenschütte: „Taubenhaus und Rokkenschütte“
- Zusatztext unten links: „Dieser Abriss ist, nach und gegen Mittag, abgerissen und gemalt worden“
- Weinberge: „Weingarten welche im Lehenbrief specificirt“
- Schloß: „Das Schloss welches im Lehenbrief specifizirt und sehr baufällig“
- Östlicher Banngarten: „Baumgarten im Lehenbrief angezogen“
- Blasenbergstraße: „Ruina der gewesten Mül bei der Burg zu Boltringen“ (hier ist ein Steg über die Ammer zu sehen und dort stand früher die dritte Mühle von Poltringen neben der Schlossmühle und der späteren Sägmühle unten im Ort)
- Aiblestraße/Ammerbegleitweg: „Fußpfad zum Dorff“
Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).
Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter