Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Ein Poltringer Pfarrer wird fast württembergischer Bischof beziehungsweise badischer Erzbischof“
Poltringen hatte mit Heinrich von Brentano von 1795-97 einen Pfarrer mit einer sehr interessanten Lebensgeschichte. Dr. Franz Ernst Heinrich von Brentano aus dem Hause (a.d.H.) Gnosso, wie er vollständig hieß, lebte von 1768-1831. Er stammte aus einer adeligen lombardischen Familie, die 1282 erstmals urkundlich erwähnt wird und aus mehreren Zweigen besteht. Sein Vater selbst ist Berufsoffizier, der im Jahr 1774 im Kampf um Gibraltar bei Cadiz in spanischen Diensten fällt. Er ist mit der Rottenburgerin Katharina Gerber verheiratet, in deren Heimat Heinrich von Brentano auch auf die Welt kommt.
Durch den frühen Tod seines Vaters wird er bei seinem Onkel in Kempten aufgezogen und studiert dann an den Universitäten Dillingen, Freiburg, Salzburg und Wien. Danach folgten Pfarrstellen in Gebratshofen, Poltringen, Hirrlingen und Kirchen bei Ehingen an der Donau.
In Poltringen berichtet die Pfarrchronik neben seiner ebenfalls aktiven Seelsorgetätigkeit über seine Tätigkeit in Schulangelegenheiten:
„Die Schule in Poltringen war in dem elendesten Zustande. Selten wurde sie gehalten, und wenn sie auch gehalten wurde, so war sie schlecht; denn der bisherige Lehrer und Mesner Johann Joseph Kittel war zu alt; er stand bereits im zweiundsiebzigsten Lebensjahr. Pfarrer Brentano hielt um einen andern Schulmeister an und bat den Freiherrn von Raßler (Vormund des minderjährigen Freiherrn von Ulm), er möchte dem alten Lehrer statt einer Entschädigung den eben vakant gewordenen Kirchenpflegedienst und dem Ignaz Friz den Schuldienst verleihen. Am 11. November 1795 wurde Mesner Johann Joseph Kittel zum Heiligenpfleger und Ignaz Friz zum Lehrer mit Espektanz auf den Mesnerdienst ernannt. Am 18. November wurde die Winterschule feierlich eröffnet. Die Kinder mußten zuerst alle paarweise mit dem Lehrer in der Kirche erscheinen. Nach der heiligen Messe wurde sodann die seit zwei Jahren unterbrochene Sonntagsschule wieder eröffnet.“
Da er auch promovierte, einige Bücher publizierte und sich einen Namen als Religionspädagoge machte, wird er 1805/06 als erster nachreformatorischer katholischer Stuttgarter Stadt- und Militärpfarrer (seit 1534) für die damals nur rund 140 Katholiken am Hofe und in der Stadt auserwählt und Mitglied des Katholischen Kirchenrates. Seine Pfarrei, deren Kirche dem Hl. Eberhard von Salzburg geweiht ist, wurde zur Haupt- und Mutterpfarrei der Katholischen Kirche in Stuttgart. Erst ab 1806 war es in Württemberg seit fast 300 Jahren ja wieder möglich, dass Katholiken am Hofe und in der Stadt ihre Gottesdienste öffentlich feiern und eine eigene Pfarrei einrichten durften.
Aus wohl politischen Gründen und gegen den Willen Roms wurde er dann aber auf Weisung des Königs schon 1808 als Stadtpfarrer nach Radolfzell versetzt und der dortige Stadtpfarrer Johann Baptist von Keller auf seine Stelle nach Stuttgart berufen, von wo er dann 1828 zum ersten Bischof in Rottenburg ernannt wurde. Diese Willkürentscheidung des Königs beruhte wohl auf der Entscheidung Brentanos den Ehescheidungsprozess der Kronprinzessin Karolina Augusta von Bayern, der späteren Kaiserin von Österreich, in Rom anhängig zu machen. Sie war mit dem württembergischen Kronprinzen verheiratet worden, um ihm eine Heirat mit einer ihm von Napoleon ausgesuchten Partie zu ersparen. Die Ehe wurde daher auch nie vollzogen. Heinrich von Brentano verblieb in Radolfszell als Pfarrer bis 1816 und wurde dann bis 1828 Pfarrer in Löffingen auf der Baar.
1823 will ihn Papst Leo XII. dann sogar zum ersten Erzbischof des Erzbistums Freiburg berufen, was jedoch hier am Widerstand des badischen Großherzogs scheitert. Nach Löffingen ist er noch zwei Jahre Pfarrer in Kleinlaufenburg und geht dann 1830 aus gesundheitlichen Gründen in Freiburg in den Ruhestand, wo er schon 1831 stirbt.
Der Freiburger Theologe und Historiker Karl Rögele hat seine Persönlichkeit folgendermaßen beschrieben:
„Von adeliger Abkunft und vornehmer Erziehung war Heinrich v. Brentano mehr Aristokrat als Volksmann, mehr Beamter im Sinne des josephinischen Staatskirchentums als Seelsorger, mehr Pädagoge als Theologe. Er war ein Mann von hervorragender Begabung, vielseitiger wissenschaftlicher Bildung, unermüdlicher Tätigkeit und tadellosem Lebenswandel. Durch sein leidenschaftliches Temperament machte er sich alle zu Gegnern. Die Hochachtung versagte ihm aber niemand.“
Quelle: „Der Johanniterorden in Baden-Württemberg“ Nr. 128, Dezember 2013, S. 40-42, Artikel von Diethelm Lütze, Stuttgart und „Zeitschrift des Kirchengeschichtlichen Vereins für Geschichte, Christliche Kunst, Altertums- und Literaturkunde des Erzbistums Freiburg“, Band 42 (1914), Artikel Karl Rögele, S. 189-296
Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter