Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Bauerkriegsteilnehmer“

Holzschnitt Bannerträger „Freiheit“ aus „Von dem großen lutherischen Narren“ Straßburg 1522 von Thomas Murner

Im Hauptstaatsarchiv in Stuttgart gibt es ein Dokument (Archivalieneinheit A 44 U 3282) vom 15. Mai 1526, das einen Poltringer als Teilnehmer des „Deutschen Bauernkriegs“ 1524-26 nennt. Ggf. wurde er in der Schlacht von Böblingen am 12. Mai 1525 gefangengenommen, in der die Bauern vernichtend geschlagen wurde:

„Simon Waltz aus Poltringen, wegen seines aufrührerischen Verhaltens während der Bauernunruhen im Turm zu Nagold gefangen, jedoch auf die Fürbitten seiner Freunde und Gönner wieder freigelassen, verspricht eidlich, keine Waffen mehr zu tragen außer einem abgebrochenen Brotmesser, keine offene Zeche mehr zu besuchen, eine Geldstrafe von 100 fl (Florentiner = Gulden; Summe entspricht ca. 5.000 EUR) zu zahlen und sich an keinem Aufruhr mehr zu beteiligen, sondern der Obrigkeit gehorsam zu sein, und schwört. (Dienstag nach Exaudi)“

Bereits am 20. April 1525 hatte sich ein Bauernhaufen in der Grafschaft Hohenberg, im Amt Herrenberg, im Schönbuch und im Ammertal gebildet, dem sich wahrscheinlich Simon Waltz anschloss. Sie wollten wohl die von den Aufständischen in Memmingen März 1525 beschlossenen durchaus moderaten „Zwölf Artikel“ durchsetzen. Diese forderten die freie Pfarrerwahl (1), die Abschaffung des Kleinzehnten, kirchliche oder gemeinnützige Verwendung der Großzehnten (2), die Aufhebung der Leibeigenschaft (3), die freie Jagd und Fischerei (4), die Rückgabe der Wälder (5), die Reduzierung der Frondienste (6), Einhaltung bestehender Besitzbedingungen (7), Neufestsetzung der Abgaben an den Grundherren (8), feste statt willkürlicher Strafen (9), Rückgabe der Allmenden (10) und Abschaffung des Todfalls (11). Der zwölfte Artikel erklärt die grundsätzliche Bereitschaft, auf alle Forderungen zu verzichten, die dem Wort Gottes nicht gemäß sind.

Sein Bauernhaufen vereinigte sich dann mit dem „Schwarzwälder Haufen“ und dem württembergischen „Hellen Christlichen Haufen“ in Herrenberg. Von dort zog man sich, nachdem die Bundestruppen des „Schwäbischen Bundes“ am 3. Mai in Rottenburg und Wurmlingen anlangten und durch das Ammertal wohl über die alte „Ammertalstrasse“ an Poltringen vorbei nach Herrenberg zogen, nach Böblingen zurück.

Dort kam es dann am 12. Mai 1525 zur entscheidenden Schlacht, in der die einheitlich geführten, gut ausgebildeten, mit Artillerie sowie Kavallerie ausgestatteten und besser bewaffneten Bundestruppen (ca. 8.000 Mann) unter Georg Truchsess von Waldburg-Zeil (genannt Bauernjörg) das Bauernheer (ca. 15.000 Mann) unter der Leitung von Hauptmann Matern Feuerbacher, Gastwirt aus Großbottwar, schlugen und ca. 3.000 Aufständischen den Tod brachten. Die Bundestruppen verloren in diesem Massaker nur 50 Mann. Matern Feuerbacher wurde interessanterweise in der Folge vom Kaiserliche Hofgericht freigesprochen und später Küchenmeister des Markgrafen von Baden.

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

Posted by Sabine in Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Kindesentführung“

Am 17. Februar 1998 wurde die siebenjährige Sharon aus Poltringen von ihrem eigenen nichtehelichen Vater, Wilfried H., entführt. Die Mutter, die Krankenschwester Ines K., suchte in ihrer Verzweiflung Hilfe bei der Elterninitiative „Vermisste Kinder“ in Hamburg. Ein Foto der kleinen Sharon wurde auf der Internetseite www.initiative-vermisste-kinder.de veröffentlicht.

Im Mai 1999 meldete sich ein Mann aus San Carlo, Mexiko, der das Kind bei seinen Nachbarn erkannt hatte. Die Polizei wurde eingeschaltet, Verbindungen zur deutschen Botschaft in Mexiko hergestellt. Über einen Privatdetektiv nahm Ines K. Kontakt zu dem ProSieben-Reporter Bernd Liesert auf. Der Fernsehsender Pro Sieben meldete Interesse und übernahm die Flugkosten für die Mutter nach Südamerika. Zusammen mit dem Reporter und einem Kameramann flog die Mutter nach Mexiko, um ihre Tochter zu befreien. Eine Ausstrahlung der Reportage erfolgte im TV Magazin SAM am 23., 24. und 25.06.1999 jeweils um 13:30 Uhr.

Dann wurde es noch einmal richtig dramatisch“, erzählt Monika Bruhns von der Elterninitiative. „Am Freitag wollte Ines fliegen. Aber am Donnerstag erhielten wir die E-Mail, dass der Vater geflüchtet sei. Mit Hilfe der Polizei wurde er vorläufig festgehalten. Bei der Gegenüberstellung mit der Mutter seiner Tochter behauptete er, dass er diese Frau nie gesehen habe. Erst mit Hilfe zahlreicher Dokumente konnte nachgewiesen werden, dass Sharon zu Ines gehört.“

Der Vater, in Deutschland bereits per Haftbefehl gesucht, wurde von der mexikanischen Polizei an Ort und Stelle zusammen mit seiner Lebensgefährtin verhaftet. Seine Passangaben sowie die seiner Freundin waren gefälscht, auch das Kind lebte unter falschem Namen. Wilfried H. wurde am 19. Juni 1999 nach Deutschland ausgeliefert und dem Haftrichter vorgeführt. Sharon lebte dann wieder bei ihrer Mutter.

Quellen: Hamburger Abendblatt vom 22.06.1999 und Golem.de vom 20.06.1999

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

Posted by Sabine in Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Findelkind in Poltringen“

In der Nacht des 8. November 1984 fand eine Poltringer Familie um 4:30 Uhr auf der Treppe ihres Hauses in der Poltringer Hauptstraße bei der St. Stephanus-Kirche ein in einen grauen Plastikmüllsack eingewickelten Säugling. Da die Mutter vermutlich wollte, dass ihr Baby gefunden wird, hatte sie die Bewohner bei der Aussetzung durch ein langanhaltendes Klingeln an der Tür geweckt.

Der männliche Findling mit dunklerer Hautfarbe war zu diesem Zeitpunkt zwischen sechs und 24 Stunden alt, wog 3.000 Gramm und maß 50 Zentimeter. Es wurde vermutet, dass die „Kindesaussetzerin“ in einem „streng religiös-moralischen Milieu“ verwurzelt sein könnte. Darauf deutete auch der Zustand des Baby-Nabels hin. Das Kind wurde wahrscheinlich ohne ärztliche Hilfe zur Welt gebracht. Spätere Untersuchungen ergaben, dass der Kindsvater aus Nordafrika stammen könnte.

Das Baby kam in eine Pflegefamilie und wurde später, nachdem erfolglos ein Jahr Ermittlungen zu den leiblichen Eltern stattfanden, von einer wohlhabenden Familie im Großraum München adoptiert.

Aus: http://www.vaeternotruf.de/findelkind.htm

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Auswanderung“

Verschiffungskontrakt für 52 Auswanderer von Mössingen von Heilbronn über Rotterdam nach New York von 1852

Im 19. Jahrhundert gab es im größeren Umfang Auswanderungen aus Poltringen und in ganz Deutschland vor allem ab den 1840er Jahren Richtung Nordamerika. Vorher waren die Ziele der Auswanderung eher in Europa. Die Gründe waren fast immer wirtschaftliche Not. Diese Entwicklung endet dann mit dem dt.-frz. Krieg und der Gründung des Dt. Kaiserreiches 1870/71. Genannt ist meist nur das Familienoberhaupt, hinter jedem untenstehenden Namen stehen aber oft noch mehrere Familienangehörige. Bewilligt wurde die Auswanderung erst, wenn alle Schulden bezahlt waren und bei Männern der Wehrdienst abgeleistet war.

  • Matthäus Rausch, Bauer (*1778; 1816 – Niederlande, Den Haag)
  • Leo Kittel (1833 – Österreich, Wagrain / Ungenach-Geretsberg)
  • Dominikus Klaiber (1834 – Ungarn)
  • Silvester Klaiber (1834 – Ungarn)
  • Kreszentia & Andreas Bizenberger, Kinder 14 & 12 Jahre alt (Böhmen, Königsberg)
  • Franz Peter Biesinger, Schreiner (*1814; 1840 – Nordamerika, Louisiana)
  • Johann Baptist Wiesenfath, Scherenschleifer (Amerika)
  • Augustin & Rosa Keller (Amerika)
  • Josef & Franziska Sailer (Amerika)
  • Simon Kittel, Stricker (*1798; 1847 – Nordamerika)
  • Augustin Keller, Maurer, mit 9 Kindern (1848 – Nordamerika)
  • Joseph Sailer, Schuhmacher, mit 8 Kindern (1848 – Nordamerika)
  • Alexander von Kisfaludi, unehelicher Sohn der Maximiliane v. Kisfaludi geb. Freiin v. Ulm, (*1831; 1848 – Österreich, Wien), Auswanderung und geplanter Eintritt in die k. k. Armee endeten erfolglos, am 30.12.1848 stellt sein Pfleger, Revierförster Belthle aus Entringen, fest: „Mein Pflegling ist ein Mensch, an dem alle bisherigen Bemühungen, ihn zu einer geordneten Bestimmung vorzubereiten, fehlschlugen… Auch die Hoffnung (ihn in Wien unterzubringen) scheint bei dem ganz leichtsinnigen jungen Menschen nicht in Erfüllung zu gehen, und es bleibt daher nichts übrig als daß er in seine Heimat zurück- kehre… Daher Bitte an Magistrat zu Wien, daß man den Menschen mit Laufpaß nach Hause weise, (wobei) ich mich verbindlich mache, zu diesem Zwecke 120 fl Reisegeld zu senden, adressiert an den Magistrat in Wien.“
  • Johannes Sailer, Bauer (*1825; 1849 – Nordamerika, Michigan)
  • Anton Schaible, Bauer (1851 – Nordamerika)
  • Michael Schmid, Gastgeber (*1834; 1851 – Ungarn, Pest)
  • Barbara Wellhäuser mit unehelichem Sohn (*1816; 1852 – Nordamerika)
  • Rochus Pfeffer, Zimmermannsmeister (1852 – Nordamerika)
  • Johanna Nortz, Dienstmagd, mit unehelicher Tochter (1853 – Nordamerika)
  • Wolfgang Harr, Zimmermann (1853 – Nordamerika, Detroit)
  • Lydwina Keller mit unehelicher Tochter (*1823; 1853 – Nordamerika)
  • Johannes Roll, Zimmermann und Mühlenbauer (*1813; 1853 – Nordamerika)
  • Josephine Roll (*1837; 1854 – Nordamerika)
  • Regina Roll (*1833; 1854 – Nordamerika)
  • Ignaz Fritz, Soldat/Reiter, früher Bauer (*1815; 1854 – Nordamerika)
  • Joseph Fritz (*1814; 1854 – Nordamerika), Auswanderung wurde erst bewilligt nachdem sich Theresia Sailer und Maria Biesinger aus Oberndorf bezüglich deren Alimentenforderungen als abgefunden erklärt hatten
  • Florian Wellhäuser, Bauer (*1834; 1854 – Nordamerika)
  • Konrad Schiebel, Bauer, mit 6 Kindern (*1787; 1854 – Nordamerika)
  • Constantin Sailer (1854 – Amerika)
  • Albert Sailer (*1838; 1855 – Australien)
  • Andreas Sailer, Schreiner (*1835; 1855 – Australien)
  • Ludwig Lay (*1840; 1855 – Nordamerika)
  • Ignaz Wellhäuser, Maurer und Steinhauer (*1837; 1857 – Nordamerika)
  • Vinzenz Bizenberger, Leinenweber (*1819; 1860 – Nordamerika)
  • Franziska Rausch (*1844; 1860 – Nordamerika)
  • Stephan Sailer, Bauer (1860 – Amerika)
  • Thomas Biesinger, Schneider (*1819; 1861 – Nordamerika)
  • Clemens Bizenberger, Veterinär (*1838; 1865 – Frankreich, Beblenheim / Kaysersberg)
  • Constantin & Dorothea Mathilde Haar, Schuhmacher (*1835; 1866 – Nordamerika, New York)
  • Thaddae Schaible, Posthalter (Amerika, Michigan)
  • Katharina Ammann (*1831; 1868 – Schweiz, Genf / Petit Lancy)
  • Rosa Sailer (*1846; 1868 – Nordamerika, New York)
  • Theresia Rausch (1868)
  • Johann Baptist Eipper, Taglöhner (*1849; 1869 – Nordamerika, New Orleans)
  • Josef Sailer, Schuhmacher (*1847; 1869 – Nordamerika, New Orleans)
  • Josephine Heh (1869 – Amerika)
  • Karl Sailer, Bäcker (*1851; 1869 – Amerika)
  • Theresia Wellhäuser (*1836; 1870 – Nordamerika)
  • Marie Wolpert (19. Jh. – Türkei, Ägypten, Istambul, Alexandrien), Bericht des Oberamt an K. Min. der auswärt. Angelegenheiten vom 23.5. 1872 betr. Bitte des Mechanikus Dollinger, Assistent am physikal. Kabinett der Universität Tübingen (verheiratet mit Susanna geb. Wolpert aus Poltringen) „um Einziehung sicherer Nachricht über Leben oder Tod seiner Schwägerin Marie Wolpert, „welche – wie es scheint – entweder in Constantinopel oder in Alexandrien gestorben sein soll.“
  • Florian Sailer (1935, Brasilien)

Die vorstehende Liste ist zusammengestellt aus dem Heimatbuch von 1971 S. 141-144 und der Auswandererliste von LEO-BW, des landeskundlichen Informationssystems für Baden-Württemberg (hier auch weitere Personendetails): https://www.leo-bw.de/detail/-/Detail/details/DOKUMENT/labw_auswanderer/16228/Auswanderer+aus+Poltringen

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Die Römerstraße in Poltringen“

Durch die Poltringer Gemarkung führt eine Römerstraße, welche die römischen Zivilstädte Sumelocenna / Nicer (Rottenburg bzw. Sülchen / Neckar) mit Portus / Antina (Pforzheim / Enz) verband. Die Straße führte gradlinig von Rottenburg kommend an Wurmlingen vorbei nach Unterjesingen / Pfäffingen, wo sie einen scharfen Knick Richtung Westen macht und dann unter den heutigen Straßen „Im Schönblick“ und „Ziegeläckerstraße“ auf der Hochebene schnurgerade durch Poltringen Richtung Altingen führt. Auf Höhe des Pferdehofes Schmid und des Türlesbronnwäldchen passierte sie damals römische Gutshöfe (Villa Rustica). In der Verlängerung nach Osten führte die Straße weiter nach Grinario (Köngen), einem Militärlager und Zivilort (Vicus).

Wandkarte aus dem Römermuseum Rottenburg

Römische Straßen waren immer möglichst geradlinig und steigungsfrei geführt und vorzugweise auf der Höhe und nicht in den sumpfigen Talgründen angelegt, wo auch eine gradlinige Anlage schwierig gewesen wäre. Die Straße war keine militärisch bedeutsame und voll ausgebaute Hauptverbindung, aber eine wichtige regionale Route. Die wichtige Hauptroute führte vom Legionslager Argentorate / Rhenus (Straßburg / Rhein) und Vindonissa (Windisch / CH) zum Limes oder nach Castra Regina / Danubius (Regensburg / Donau) durch Sumelocenna, aber nicht durch Poltringen.

Vor den römischen Straßen gab es in unserer Region keine Straßen im engeren Sinne. Die Trassen der römischen Straßen erhielten sich aber über Jahrhunderte und sind selbst heute nach maßgeblich für moderne Straßenführungen. Zudem kann man an den vorgenannten Orts- und Flussnamen teilweise eine interessante 2000 jährige Kontinuität der Benennung erkennen.

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Gab es in Poltringen früher einen Galgen?“

Da Poltringen als ritterschaftliches Dorf eine am Ort residierende Ortsherrschaft hatte, liegt die Vermutung nahe, dass es dort auch ein Hochgericht bzw. eine Blutgerichtsbarkeit gab. Dies war das exklusive Vorrecht der Ortsherrschaft zur Verhängung auch der Todesstrafe. Damit war natürlich auch eine Richtstätte mit Galgen verbunden.

Bisher gab es dafür nur als Beleg den alten Namen eines Weges, des sog. Galgenwegle, das vom Schloss, Taläckerle, Bettenäcker zum Galgen / Harthäusle führte und der ehemalige Gewannname „Bei dem Galgen“ dort. Es gab auch die Vermutung, dass es nur Galgenplatz auf Reustener Gemarkung gab (oder es dort ggf. früher einen weiteren Galgenplatz gab). Dieser wird dort vermutet, wo die ehemalige Römerstraße (hier unter Feldweg südlich des Türlesbronnwäldchen Richtung Altingen verlaufend) die Landstraße von Reusten nach Breitenholz kreuzt.

Andreas Kieser „Forstlagerwerk“ 1680-1687 (in Hans-Martin Maurer und Siegwald Schiek, „Alt-Württemberg in Ortsansichten und Landkarten von Andreas Kieser 1680-1687“, Stuttgart 1985)

Am Rande einer Karte von 1680-1687 („Forstkartenwerk“ von Andreas Kieser) konnte nun ein „Poltringer Hochgericht“ mit einem eingezeichneten dreischläfrigen Galgen als zusätzlicher kartografischer Beleg für die Poltringer Hochgerichtsbarkeit gefunden werden. Auch auf einer Karte von 1709 („Tübinger Forst sambt dem Schönbuch“ von Johann Majer, Bestand N 7 Nr. 41, Hauptstaatsarchiv Stuttgart) ist der Galgen noch zu sehen.

Dieser liegt nicht, wie unten auf der Karte ersichtlich, an den damaligen Verbindungsstraßen Reusten-Entringen (heute asphaltierter Feldweg) oder Reusten-Breitenholz am Hardtwald entlang (heutige Landstraße) und auch nicht an der früheren Heer- / Römerstraße (auf Karte nicht eingezeichnet). Das Hochgericht ist vielmehr nördlich vom in der oberen rechten Ecke der Karte mit dem Bergschloss (Detailbild in Amtsblattartikel vom 30.08.18 „Bergschloss Oberpoltringen“) eingezeichneten Poltringen, wie vermutet südöstlich des Hardtwaldes etwa im Bereich der Anhöhe am Harthäusle, wohl ein paar Meter südöstlich des Platzes, an dem heute die Grillstelle beim Fliegercasinospielplatz ist.

Was auch Sinn macht, da Galgen meist so aufgestellt waren, dass sie weithin sichtbar waren um ihre Abschreckungswirkung zu unterstützen und auch um als Herrschaftszeichen der örtlichen Herrschaft zu dienen. Ebenso ist ein Indiz die dort solitär stehende Lindengruppe, die ebenfalls oft im engen örtlichen Zusammenhang mit Richtstätten zu finden ist.Leider verbrannte dieses sehr besondere, kolorierte Forstkartenwerk im 2. Weltkrieg in Stuttgart und es gibt heute nur noch Schwarz-Weiß-Aufnahmen dieser Karten.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Flugzeugabschüsse über Poltringen

Im Zweiten Weltkrieg tobte der Luftkrieg auch über unserer Region. Neben dem Tieffliegerangriff vom 6.4.1945 mit zwei auswärtigen Toten wurden über der Poltringer Gemarkung auch zwei Feindflugzeuge abgeschossen.

Die vorgenannten Flugzeugabschüsse sind wahrscheinlich die Folgenden: Es gab in der Region aber natürlich noch einige Abschüsse mehr. Allerdings ging kein Flugzeug dann auf der Gemarkung Poltringen nieder und es gab im Ort dadurch keine Todesopfer. Am Pfaffenberg/Ortsrand von Unterjesingen ging in der Nacht vom 15./16.3.1944 eine um 19.03 Uhr in Burn unter dem Kommando von Flight Sergeant John Douglas Lyon gestartete schwere Bomber Handley Page Halifax Mk. III der 578. Sqn. (RAF) mit der Nummer LW542 Kennung LK-S nieder, die mit ihrem Fliegerverband für das Bombardement von Stuttgart eingesetzt war (88 Tote, 203 Verwundete) und die gegen 23.19 Uhr von einem deutschen Nachtjäger (Oberfähnrich Helmut Bunje mit einer Messerschmitt BF 110 G-4 von der 4. Staffel/Nachtjagdgeschwader 6) bei Wurmlingen abgeschossen wurde. Von der siebenköpfigen Besatzung fanden drei britische Flieger und der Kommandant den Tod, drei konnten sich mit Fallschirmen retten und wurden gefangen genommen (u.a. Funker Sgt. Dennis J. Salt, der beide Beine verlor; Details: Tagblatt März 1984, September 1993 und 2.10.2019; weitere Namen bisher nicht recherchierbar).Westlich von Tübingen wurde am 23.2.1945 interessanterweise ebenfalls von Helmut Bunje, ein Lancaster I Bomber, Nr. PA161, Kennung BH-X aus Faldingworth unter dem Kommando von Flight Sergeant H. E. Jachacz gegen 20.15 Uhr getroffen, der mit seinem Fliegerverband für das verheerende Bombardement von Pforzheim eingesetzt war (17.600 Tote, über 30% der Bevölkerung in einer Nacht!). Sie stürzte dann bei Sindelfingen ab. Von der polnischen Besatzung gerieten vier Mann in Gefangenschaft (P/O Peisker, F/Sgt Jachacz, Sgt Minkler, Sgt Leja) und drei starben beim Absturz (F/O Barcikowski, F/Sgt Lisak, F/Sgt Stokarski).

Helmut Buntje, mit 12 Abschüssen ein sog. „Flieger-Ass“, überlebte den Krieg und starb im Jahre 2000.Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Pfäffinger Liaisons“

Folgender Fund bietet mit zwei Anekdoten Einblicke in das frühere Verhältnis des evang. Pfäffingens zum kath. Poltringen:

„Mein Mann, Eberhard Hökh (+16.5.2019), aufgewachsen in Stuttgart, stammt aus einer Pfäffinger Familie. Der Urgroßvater, Christian Ludwig Hökh (1819-1879) besaß den letzten Hof in Pfäffingen in Richtung Poltringen, heute das Anwesen von Günter Höckh. Dieser Christian Ludwig Hökh hatte eine Tochter, Maria Friederike Hökh (1855-1937), die sich in den Säger von Poltringen verliebte. Sie bekam von ihm ein Kind. Der strenge Vater verweigerte aber die Hochzeit. Es kam nicht in Frage, dass ein evangelisches Mädle einen Katholiken heiratete. Zitat: „“An mei’m Tisch werdet so viele Mäuler satt, da kommt’s auf eins mehr net an. Aber mei evangelisches Mädle derf koin katholischa Poltringer heirate!“ Es kamen ein zweites und ein drittes Kind, bis endlich der Vater die Einwilligung zur Hochzeit gab. Endlich konnte das Mädle den Matthias Ruthart (+1927) aus der Poltringer Sägmühle heiraten und hatte insgesamt 14 Kinder! So ist der Name Ruthart nach Pfäffingen gekommen.

Ihr Bruder, Rudolf Hökh, war der Großvater meines Mannes Eberhard Hökh. Er ging zum Militär, während seine Schwester im elterlichen Hof lebte. In der Zeit brannte der Hof ab. Die Angaben zur Brandursache sind uneinheitlich: Die einen sprechen vom Blitzschlag, die anderen von spielenden Kindern. Jedenfalls brannte der Hof ab. Der Großvater meines Mannes verkaufte daraufhin seine Pfäffinger Besitzungen und erwarb von dem Erlös ein Haus in Stuttgart.

Meine Schwiegermutter erzählte noch eine andere skurrile Geschichte: Ein Verwandter namens „Leclair“ hatte Streit sowohl mit den Poltringern als auch den Pfäffingern. Er muss wohl ein unglücklicher Mensch gewesen sein und beschloss, sich das Leben zu nehmen. Zu dem Zweck setzte er sich an einen Grenzstein zwischen Poltringen und Pfäffingen und erschoss sich dort, damit die Pfäffinger und die Poltringer sich stritten, wer ihn bestatten muss.“Aufgezeichnet 2019 von Irene Hahn-Hökh aus der Biegenmühle in Pfäffingen.

„Poltringer Grenzstein“ (einzig bekannter) von 1821, hinten „1821“ / „Poltringen“, vorne „N (gespiegelt) Hirschstange „i“ mitten im Wald am Saurucken beim Friedwald auf der Gemarkung Entringen (Details: http://www.kleindenkmale-schoenbuch.de/liste_kdm.html)

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Häftling“

In der Regierungszeit König Friedrichs I. von Württemberg waren etwa 400 Männer auf der Festung Hohenasperg bei Ludwigsburg inhaftiert. Der Hohenasperg, der seit dem Mittelalter u.a. auch als Gefängnis und heute als Vollzugskrankenhaus dient, gilt nach einem Bonmot als der „höchste Berg Württembergs“, da man in wenigen Minuten oben ist, aber Jahre braucht, um wieder herunterzugelangen.Aus dem Jahr 1813 ist eine Gefangenenliste erhalten, in der die Namen, die Haftgründe und die Haftdauer erscheinen. In den Jahresrechnungen der Festung Hohenasperg, welche im Staatsarchiv Ludwigsburg verwahrt werden, sind die Namen der Gefangenen und die Haftdauer aufgelistet, nicht aber der Grund der Festungsstrafe.

Luftbild Hohenasperg 1950, Wikipedia

In der o.g. Liste ist ein Poltringer zu finden: Moritz Haar, aus Poltringen, Oberamt Herrenberg, wegen Diebstahl und zweimaligem Entweichen als Sträfling, Strafmaß: 3 Jahre 9 MonateAuch ein Reustener und ein Breitenholzer Häftling waren dort 1813 zu finden.

Die gesamte Liste findet sich hier: https://eberhardfritz.de.tl/Gefangene-auf-der-Festung-Hohenasperg-1813.htm

Grundlegend für das Thema ist der Aufsatz von Eberhard Fritz „Auf die Vestung Hohen-Asperg condemnirt“ – Leben und Alltag der Gefangenen in der Regierungszeit Friedrichs von Württemberg (1797 – 1816) in: Ludwigsburger Geschichtsblätter 67/2013. S. 67-92.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Bunker in Poltringen“

Lageplan der Poltringer Bunker (rosa Punkte = vorhandene Tiefkeller, schwarze Punkte = neu angelegte Bunker), erstellt von Armin Haar, August 2019

In Poltringen gab es während des letzten Weltkrieges etliche Bunker zum Schutz vor Luftangriffen. Zum Glück gab es während des Krieges nur einen Luftangriff am 19.04.1945 (siehe dazu der Amtsblattartikel vom 08.11.18), der zwei Auswärtigen das Leben kostete, aber es gab unzählige Luftalarme. Zum Kriegsende hin war dies fast täglich mehrmals der Fall. Luftschutzalarm erfolgte durch eine Sirene auf dem alten, heute abgebrochenen Rathaus. Die Vorwarnzeit betrug allerdings nur wenige Minuten.

Die (Tief-) Bunker waren entweder tieferliegende bestehende Kellerräume, neuerrichtete Erdbunker oder in den Berg gegrabene Gänge. Hochbunker gab es keine in Poltringen. In Poltringen gab es nur private Bunker und keine öffentlichen Schutzanlagen, die Nutzung erfolgte aber gemeinschaftlich im Nachbarschaftsverbund, sodass für alle Einwohner mehr oder weniger Schutzmöglichkeiten bestanden. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter (ca. 60 / 10% der Bevölkerung) durften offiziell die Bunker allerdings bei Strafe nicht nutzen; die praktische Umsetzung im Ort war aber oft zum Glück anders.

Der Bunkerbau begann in Poltringen wahrscheinlich zu Kriegsbeginn 1939 und endete erst 1945. Als sicherster Bunker galt wohl der Kellerraum der Schlossscheuer, der heute noch als Keller in Nutzung ist und aus dem 16. Jahrhundert stammt. Heute besteht kein Bunker mehr in seiner ursprünglichen Funktion.

Die Bunker waren teilweise auch mit Betten eingerichtet. Oft erfolgte eine Nutzung nicht nur temporär bei Luftalarm, sondern auch bei häufigen Luftalarmen dauerhafter. Nach dem Einmarsch der Franzosen mussten einige Familien zudem dort auch längere Zeit wohnen, da die Besatzer die eigentlichen Wohnräume für sich beanspruchten. Weitere Nutzungen waren oft auch als Lager für Lebensmittel oder landwirtschaftliche Zwecke.

Eine Ermittlung der ursprünglichen Lage der Bunker erfolgte durch Armin Haar. Wo diese lagen, zeigt die nachfolgende Karte.

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