Poltringer Heimatgeschichte

Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Tapetenstreit“

Im Jahr 1847 kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kaufmann Gustav F. Baur und dem Sattlermeister Schwarzwälder vor dem Tübinger Stadtschultheisenamt. Dieser hatte von Baur fünf Jahre zuvor Tapeten im Wert von ca. 16 Gulden (heute ca. 270 EUR) bezogen und gab an diese für das Schloss des damaligen Poltringer Ortsherrn Freiherr von Ulm zu benötigen. Eine Zahlung an Baur erfolgte dann aber nicht und der Freiherr wie sein Werkmeister bestätigten beide, dass sie diese Tapeten nicht bekommen bzw. bestellt hätten.

Aus den vorliegenden Akten ergibt sich zudem, dass Baur dem Schwarzwälder zudem vorwarf diese Tapeten damals für sein eigenes Haus verwendet zu haben. Dies beweise, dass die jetzige Hausbesitzerin sich mit einem Probestück der Tapete an ihn gewandt hätte, da sie weitere Stücke davon erwerben wolle. Besonders ist daher die unten abgebildete Anlage der Akte dazu, ein Tapetenstück mit dem damals bestellten Dekor. Ein Urteilsspruch wurde in den bisherigen Unterlagen nicht erwähnt, vielleicht ist ein Vergleich geschlossen worden. Jedenfalls gab es ein erfolgreiches Vollstreckungsverfahren und Herr Baur kam zu seinem Geld inklusive Zinsen.

Anlage des Gerichtsprotokolls: Tapetenmuster der Tapetenfabrik Haußmann in Blaubeuren mit Nachricht und Versandsiegel von 1847

Auf dem abgebildeten Tapetenstück, das der Gerichtsakte als Beilage anlag, bestätigt der Tapetenfabrikant die Herkunft und den Verkauf der Tapete (Übertragung Joachim Renschler, Ellwangen):

„Das von K. G. Baur in Tübingen mir vorgelegte Tapeten-Muster, welches er laut Rechnungs-Auszug im September 1842 von mir bezogen hat, wurde in meiner Tapetenfabrik mit Nr. 173. zum Satin Reseda* bezeichnet, was ich andurch mit meiner Unterschrift und Geschäftssiegel bezeuge

Blaubeuren 31/8 1847 Fr. Haußmann“

*Resedagrün ist ein heller bräunlich-grüner Farbton (hier des Tapetenstoffes Satin bzw. Atlas), der aus der Resedapflanze gewonnen wird (auch „Wau“, „Färberreseda“, „Streichkraut“, „Gilbkraut“), nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die Farbe als Grundanstrich für Maschinen und sonstige technische Anlagen etablieren (RAL 6011)

Quelle: ein Faszikel in den Stadtschultheißenamtsprotokollen 1847/1848 (A 70 Bü 1597), Stadtarchiv Tübingen

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Dr. Dr. August Hagen – Pfarrer, Kirchenrechtler, Generalvikar und `Aufrührer´“

Bild von August Hagen aus Personalakte des Diözesanarchives Rottenburg, ca. Ende der 1940er Jahre

Der als Sohn eines Bauern und Webers 1889 in Spaichingen geborene und 1963 dort gestorbene Dr. sc. pol. Dr. theol. August Hagen, der 1928-1936 Pfarrer in Poltringen war, galt in NS-Kreisen als Aufrührer, der es der Partei schwer machte im Ort Fuß zu fassen. Dies zeigte sich auch in den Wahlergebnissen, die für die NSDAP in Poltringen im regionalen Vergleich immer unterdurchschnittlich waren.

Nach Schule in Spaichingen und Rottenburg und Studium in Tübingen sowie Promotion in Staatswissenschaften und Theologie, wurde August Hagen neben seiner (ersten) Pfarrstelle in Poltringen 1930 Privatdozent an der Universität Tübingen und 1935 Professor des Kirchenrechts an der Universität Würzburg. 1947 kehrte er als Domkapitular bzw. später Generalvikar (Leiter der Diözesanverwaltung) in die Diözese Rottenburg zurück, nachdem er in kurzer Folge bei einem Bombenangriff zum Kriegsende sein komplettes Habe und schriftliche Dokumente verloren hatte (ggf. bei dem Großangriff auf Würzburg vom 16.03.1945, bei dem 90% der historischen Altstadt zerstört wurden und 4-5000 Menschen starben) und kurz später seine Schwester starb, die ihm bisher den Haushalt führte. Aus Zuneigung schenkte ihm darauf, aufgrund des Verlustes seiner materiellen Besitztümer, ein Bürger aus Poltringen sogar seinen schwarzen Hochzeitsanzug, da August Hagen nur noch die Kleider auf dem Leib besaß.

August Hagen hatte fünf Geschwister, die alle unverheiratet blieben und von denen zwei in einen Orden eintraten. Er selbst war in Poltringen ein hingebungsvoller und überaus aktiver Ortspfarrer, der sich sehr um die Erhaltung kirchlicher Gebäude trotz geringer finanzieller Mittel kümmerte. Er schuf z.B. einen Spielplatz für den Kindergarten, hielt Vorträge, organisierte, dass die Umgebung der Klemens-Kirche bepflanzt sowie wieder ansehlich gestaltet wurde und ließ Kochkurse abhalten. Nicht zu seinen Talenten gehörte, neben dem Gesang wie der damalige Kirchenchor feststellte, allerdings wohl das Autofahren, das er in seiner Poltringer Zeit erlernte. Denn man erzählte sich augenzwinkernd, dass sein Auto beim Anfahren oft eigentümliche Sprünge ausführte und eine Kuh in einem Nachbardorf von ihm ihr Geschirr abgefahren bekam. Auch eine glimpflich verlaufene Karambolage in Ehingen ist verbürgt.

Er machte schon früh öffentlich und in der Seelsorge aus seiner ablehnenden Haltung gegenüber der kirchenfeindlichen NS-Ideologie keinen Hehl und predigte auch in diesem Sinne. Dies führte dann Ende 1933 zu einem Besuch der SS und einem Streitgespräch bezüglich der Abonnierung des gleichgeschalteten “Neuen Tübinger Tagblattes”. Da er diese ablehnte, wurde er als “verdächtig” notiert und bei der Politischen Polizei (später Gestapo) angezeigt. Man vermutete ihn dann schon „auf dem Heuberg“ (das früheste Konzentrations-/“Schutz“haftlager im Raum Württemberg/Baden von März bis Dezember 1933) und glaubte, dass er nun auf der „Liste“ der neuen Machthaber sei, da hunderte deutsche, meist kath. Pfarrer, in Lagern verschwanden. Die darauffolgende Einbestellung beim Landrat und dem Kreisleiter der Partei konnte er aber dann argumentativ für sich entscheiden und ging einige Monate später nach Würzburg um dort seine neue Stelle anzutreten.

Für seine Verdienste erhielt er vom Papst 1952 den Ehrentitel “Apostolischen Protonotar” und 1959 das Bundesverdienstkreuz.

Weitere Informationen zu seiner Person finden sich in seiner Personalakte im Diözesanarchiv (Akte G 1.7.1. Nr. 2663), im kath. „Sonntagsblatt“ Nr. 9, Seite 8-10 vom 03.03.1963 und unter: http://www.se-am-dreifaltigkeitsberg.de/spaichingen/geschichte/generalvikar-august-hagen/

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Volkslieder“

Im württembergischen Volksliedarchiv finden sich zwei Lieder, die herkunftsmäßig Poltringen zugeschrieben werden: „Der wundergroße Mann“ und „Heirathe mich“. Sie stammen beide aus der Volksliedsammlung des Tübinger Professors Ernst Heinrich Meier mit dem Titel „Schwäbische Volkslieder mit ausgewählten Melodien“ von 1855.

Das Volksliedarchiv selbst wurde zwischen 1880 und 1940 von der Landesstelle für Volkskunde und dem Deutschen Volksliedarchiv in Freiburg zusammengestellt. Es umfasst über 22.000 Liedbelege in Form loser maschinengeschriebener Zettel mit Liedtexten sowie Noten und Erläuterungen zu Teilen des Bestands. Diese Belege dokumentieren Volkslieder, Kinderreime und -verse sowie anderes Liedgut aus Württemberg.

Der wundergroße Mann

Es gaht a Ma de Berg hinauf
Wundergroß;

Da sah er auch drei Hasen

In jenem Thale grasen.

Wunder, Wunder über Wunder

Wie die Hasen grasen kunnten,

Das wundert mich.

Es gaht a Ma de Berg hinauf
Wundergroß;

Da sah er auch drei Krähen

In jenem Thale mähen.

Wunder, Wunder über Wunder

Wie die Krähen mähen kunnten,

Das wundert mich.

Es gaht a Ma de Berg hinauf
Wundergroß;

Da sah er auch drei Schnecken

In einer Mulde kneten.

Wunder, Wunder über Wunder

Wie die Schnecken kneten kunnten,

Das wundert mich.

Heirathe mich

Ich hab a Stub
Und darin ist kein Of´

Und wenn I `nein schau

So friertst mi im Kopf.

/ Heirathest Du mich, :/

Nichts als Gutleben

Sollst haben bei mir.

Ich hab en Kasten
Darin ist kein Kleid

Und wenn I `nein schau

So ists Jammer und Leid.

/ Heirathest Du mich, :/

Nichts als Gutleben

Sollst haben bei mir.

Ich hab a Tischlad
Und darin ist kein Brod

Und wenn I `nein schau

So ists Jammer und Noth.

/ Heirathest Du mich, :/

Nichts als Gutleben

Sollst haben bei mir.

Die Melodien dazu sind leider nicht bekannt.

Quelle: Landesmuseum Württemberg, Sammlung Online

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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Bürgermeistermörder?“

Im Jahr 1657 kam es zu einem Tötungsdelikt durch einen Poltringer, der aufgrund der besonderen Tatsituation nicht nur Gerichte, sondern auch Gutachter beschäftigte. Was war geschehen?

Der Poltringer Hans Rothfelder war an einem Markttag in (Unter-) Jesingen und mischte sich in eine Schlägerei zwischen Hans Arnold, einem Weber, und Jacob Mesinger, einem Küfer, ein. Warum er das tat, war (auch damals schon) nicht ermittelbar. Um Frieden zu stiften kam der Jesinger Bürgermeister Hans Rebstock dazu und versuchte die Streitenden, es waren weitere Männer beteiligt und auch Waffen wie Degen und Messer im Spiel, zu trennen. In der darauffolgenden Auseinandersetzung tötete Rothfelder dann den Bürgermeister, mit dem er vorher keinen Streit oder Ähnliches hatte, mit einem Degenschlag auf den Kopf.

Im Prozess argumentierte sein Verteidiger mit Notwehr, da Rothfelder von Mesinger, der ein Messer führte, leicht an der Hand verletzt und selbst angegriffen sowie vom Bürgermeister mit einem Stock geschlagen wurde. Auch ist überliefert, dass der Freiherr von Wolkenstein, der damalige Poltringer Ortsherr, sich schriftlich für den noch jungen Rothfelder verwendete, der bisher ein unbescholtenes Leben geführt hatte.

Es gibt heute nur noch die beiden Gutachten („Consilium“), die das Gericht zu diesem Fall einholte. Das erste ist von zwei Tübinger Rechtsanwälten, die nicht zur Universität gehörten. Diese plädierten für eine Hinrichtung des Rothfelders wegen Tötung eines Dritten und Notwehrexzesses. Das zweite schrieb dann ein Tübinger Professor. Er sprach sich für eine mildere Strafe aus und schlug 5 Jahre Militärdienst vor. Dass es zwei Gutachten gab, könnte auch daran gelegen haben, dass Poltringen und Jesingen in zwei unterschiedlichen Herrschaftsgebieten und Konfessionsbereichen, evang. Württemberg und kath. Hohenberg-Habsburg, lagen und damit auch zu unterschiedlichen Rechtssphären. Damit hatte ja ein andersgläubiger Ausländer einen württembergischen Amtsträger getötet, was sicher auch zu politischen Spannungen führte. Wie der Prozess ausging, ist leider nicht überliefert.

Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 209 Bü 1917 bzw. Buch „Making Manslaughter: Process, Punishment and Restitution in Württemberg and Zurich, 1376-1700“ von Susanne Pohl-Zucker von 2017, Seiten 154-159

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Kaiserpetition 1848“

Für die fast ausschließlich katholische Gemeinde Poltringen (1855 gab es 643 kath. und 7 evang. Einwohner) stellten am 16.01.1849 über den Abgeordneten Dr. Johannes Baptista Fallati, einem Tübinger Professor, 32 unterzeichnende Bürger mit anderen Gemeinden zusammen die gleichlautende Petition (Nr. 6440) an die verfassungsgebende deutsche Reichsversammlung in Frankfurt am Main auf Übertragung der Reichsoberhauptswürde an den (kath.) Kaiser von Österreich.

Petitionsdokument der Gemeinde Poltringen von 1849 (Aktenzeichen DB 51 „Deutsche Verfassungsgebende Reichsversammlung“, Nr. 6440, des Bundesarchives Berlin

Diese Petitionen versuchten Einfluss zu nehmen auf die Diskussionen in diesem ersten Nationalparlament, in welcher Art die Ausgestaltung einer Verfassung eines angestrebten geeinten Deutschen Reiches hinsichtlich des Staatsoberhauptes sein sollte. Hier gab es vom gewählten Präsidenten, einem republikanischen oder dynastischen Direktorium, einem vom Volk gewählten Kaiser auf Lebenszeit bis zu einer alternierenden oder erblichen Kaiserwürde viele Varianten.

Als früher zur vorderösterreichischen Grafschaft Hohenberg gehörende kath. Gemeinde gab es hier natürlich eine eindeutige Präferenz für einen kath.-österreichischen Monarchen vor einem evang.-preußischen oder anderen republikanischen Varianten.

Auch eine weitere Poltringer Petition (Nr. 2522) vom 20.08.1848 zum Verhältnis von Kirche und Schule zum Staat ist bekannt. In Poltringen war man also lebhaft an den politischen Geschehnissen dieser Jahre interessiert, die mit der deutschen Märzrevolution 1848 mit dem Ziel einer Einigung Deutschlands begannen und zu dem Frankfurter Nationalparlament führten. Nach der Ablehnung der Kaiserwürde durch den preußischen König scheiterte die erste Verfassung eines geeinten Deutschen Reiches und das Parlament wurde aufgelöst. Es kam zu einer Unterdrückung der nationalen Bewegung, Zensur, politischer Verfolgung und demokratische Rechte wurden in dieser „Reaktionszeit“ zurückgenommen.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Politische Schlägerei“

Im Jahr 1932 kam es am 17.07. im Poltringer Gasthof „Bären“ (bis ca. 1970, Poltringer Hauptstraße 22) zu einer Massenschlägerei zwischen SPD und NSDAP Anhängern. Dabei wurden einige SPD Teilnehmer und insbesondere der Redner durch Schläge mit Schulterriemen der SA Uniformen verletzt. Das Vorkommnis ist im Zusammenhang zu sehen mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen rechten und linken Gruppierungen im Vorfeld der am 31.07.1932 stattfindenden Reichstagswahl. Am selben Tag wie die Poltringer Schlägerei ereignete sich z.B. auch der „Altonaer Blutsonntag“, bei dem bei einer Schießerei zwischen Kommunisten, Nationalsozialisten und der Polizei in Hamburg 18 Menschen ums Leben kamen und 285 verletzt wurden. Nach dieser Reichstagswahl stellte die NSDAP erstmals die stärkste Fraktion.

Die NSDAP Anhänger störten in großer Überzahl eine in der Gaststätte geplante SPD Versammlung wohl aus Rache für eine von der SPD gestörte NSDAP Versammlung in Pfrondorf. Sie hatten vorher einen Kameradschaftsabend in Reusten und kamen von dort zu etwa dreißig Personen mit einem Lastwagen nach Poltringen. Es kam dann aber nicht zu der, von der Anklage geforderten Verurteilung wegen Landfriedensbruches, sondern zu Verurteilungen wegen Körperverletzung und Beleidigung. Insgesamt wurden fünf der acht angeklagten NSDAP Mitglieder aus dem Umland zu Strafen zwischen fünf Monaten Gefängnis und 50 Mark Geldstrafe verurteilt. Dass Poltringer beteiligt waren, wird nicht berichtet (Quelle: „Tübinger Chronik“ S. 1+2 vom 23.11.1932 Artikel „Die politischen Schlägereien von Poltringen vor Gericht“).

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Ein unglücksseliger Pfarrer aus Poltringen“

Im Jahre 1711 wurde in Poltringen der spätere evang. Pfarrer Johann Konstantin Schmid(t), als Sohn des evang. Pfarrers Johannes Schmid(t) von Reusten und Pfarrverwesers von Poltringen (1710-1722) geboren. Er studierte in Tübingen bis 1736, war dann bis 1746 in Heilbronn als Hauslehrer tätig, von wo er dann 1747 im nördlich gelegenen Biberach/Heilbronn seine erste Pfarrstelle erhielt.

1754 wurde er jedoch suspendiert und im Folgejahr entlassen, „seine Aufführung sei hochstrafbar gewesen“ und er sei „abgekommen wegen schlechten Wandels“ (weitere Details gibt es leider nicht). Er ging dann 1755 als Diakon in das südlich von Heilbronn gelegene Talheim an der Schozach, wurde aber 1756 dort nicht angenommen und fortgeschickt, da er sich „eigentlich hereingedrängt hatte“. 1760 ist er dann Pfarrer in Mauren bei Böblingen und 1769 bis 1778 Pfarrer in Marschalkenzimmern, da er mit seinem Schwiegersohn Johann David Husuadel die Stelle tauschte.

Er war zweimal verheiratet und hatte sieben Kinder, von denen zwei sehr früh starben. Seine erste Frau, eine Schwester eines späteren evang. Pfarrers von Reusten und Pfarrverwesers von Poltringen und Nachfolger seines Vaters, heiratete er 1730, diese starb dann 1759. Seine zweite Frau, die er 1761 heiratete, litt später an Wahnsinn und hielt ihren Mann für einen Hexenmeister. Sie stürzte sich in Mauren aus dem Fenster und starb einige Zeit darauf im Jahre 1782.

In Marschalkenzimmern hatte Schmidt die 37jährige Anna Maria Majer als Magd, die ihm 1777 tote Zwillinge gebar. Er wurde deshalb 1778 durch die Bürger verklagt und auch dort entlassen. Sein Schwiegersohn Husuadel, jetzt Pfarrer in Mauren, nahm ihn dann dort als Mesner auf. Aus Rücksicht auf die Umstände seiner verrückten Frau und seiner Armut wurde ihm ein Gnadengeld bis zu seinem Tode zugesprochen. Schmidt verstarb dann 1788 in Mauren unter dem Vermerk: „ein unwürdiger Mann“.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Die geplante schickardtsche Bergschlosspumpwerk“

Das von 1603 bis etwa 1790 bestehende und von Heinrich Schickhardt erbaute Bergschloss „Oberpoltringen“ lag auf der Anhöhe über dem heutigen Gasthof „Adler“ natürlich wasserversorgungstechnisch gegenüber dem Talschloss nicht optimal. Zwar gab es im Schlosshof einen gemauerten Ziehbrunnen, dieser reichte aber wohl nicht zur Versorgung aus oder das Wasserholen von dort war zu aufwändig. An der Qualität seines Wassers konnte es nicht gelegen haben, dass man ein Pumpwerk plante, denn nach einer Schlossbeschreibung von etwa 1780 heisst es:

„Das Schloss Ober-Poltringen ist á la Moderna gebaut, hat …………….. einen wohl bemauerten Bronnen mit dem gesündesten Wasser, dann genug saubere Viehställe und eine massive Scheuer“.

Dennoch gab es schon kurz nach der Erbauung 1617 Pläne an der Ammer eine Brunnenstube und eine Pumpenanlage einzurichten um von dort die Bergschlossküche über Bleileitungen mit Wasser zu versorgen. Hierzu gab es vom Schlosserbauer Heinrich Schickhardt, der ja aus Herrenberg stammte und dort mehrere Häuser und in der Umgebung viele Güter besaß, eine Arbeitsplanung (Übertragung von Joachim Renschler und Christoph Remmele, Ellwangen):

„Bompenwerckh zu Boltringen, 1617
Jacob von Esslingen soll An der Amer die
Brunnenstuben fassen / den wasser Baum, das rad
Vnd Haus Zum werckh sampt dem graben Zu
Den Teichelen biß ins Schloß Auf sein des Junckhern
Costen machen lassen /
Alß dan wiel der Hans Kretzmaier 2. mese (-ing)
Stifel giesen / solche in seinem Costen Anrichdten
Curben Zapfen vnd Ring Zum waser rade machen,
bleün (Blei) teichel giesen Vnd legen / das waser in
des Junckher Küche fiehren / die meß.(-ing) Eise
vnd pleü (Blei) / Auch Aln Anrichdtung / sol der Junckher
Jme geben 550. fl. (Gulden) V[n]d selb Ander die lifer
ung Auf 14. Tag. Man gibt fir Jedes
Pfund bleün teichel Zu giesen V[n]d legen 2. b. (Batzen)
Vnd Von 10. Pfund Pleü 1 Pfund in Abgang. wan der
Her das pleü gibt v[n]d den graben machen
lest. Kem Jedes Pfund biß in boden Kombt
Vast Auf 7. b. (Batzen)
An bompen ist guot wan Vnder 10 Pfund meß (-ing)
1 Pfund Zin gosen würt / der Zeig wirt gar
Hart. Verschleist sich nit bald, “
Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, wie das Pumpwerk und die Wasserführung im Gelände mit ca. 30-40 m Steighöhe geplant gewesen sein könnte, kann sich dies in einer erhaltenen Planungsskizze bei einem ähnlichen Projekt von 1603-06 für Schloss Hellenstein über Heidenheim mit dem selben Werkmeister mit ca. 90 m Steighöhe ansehen (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, N 220 T 149 01): https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/UA5ATICEQU6TN3YDBJJRSKKIPHZJZM7C

Zur Umsetzung der Baumaßnahme kam es dann vielleicht durch den 1618 beginnenden Dreißigjährigen Krieg nie. Es sind auch leider keine Pläne erhalten wie die Anlage in Poltringen baulich hätte aussehen sollen. Auch Heinrich Schickhardt selbst fand während des Krieges 1635 in Stuttgart in seinem Haus den Tod, als er von marodierenden Soldaten mit dem Degen erstochen wurde, weil er versuchte, die Vergewaltigung seiner Nichte durch diese Soldaten zu verhindern.

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Neues Poltringer Heimatbuch – Verkaufsstart“

Ab sofort gibt es das neue Heimatbuch über Poltringen an den u.g. Verkaufsstellen. Kurzweilig und informativ sind die fünfzig Texte aus der Poltringer Ortshistorie – sie reichen von der Eiszeit bis in die Gegenwart. Sie sind mit über 70 Bildern und Karten versehen, die teilweise bisher unveröffentlicht waren.

Das Buch erscheint aus Anlass des 50-jähriges Jubiläums des HWV in diesem Jahr. Der Erlös des Buches unterstützt die Vereinsarbeit des HWV. Die Auflage ist limitiert.

Zum Preis von 20 EUR ist das Buch erhältlich bei:

  • Postagentur Papier Kittel (Poltringer Hauptstr. 49)
  • Ortsvorsteher Herr Hess im Poltringer Rathaus zu den Sprechzeiten (Poltringer Hauptstraße 45)
  • bei der 1. Vorsitzenden des HWV Margot Sailer (Pfalzgrafenring 5, Tel. 07073/2127)
  • in der Palmberghütte zu den Öffnungszeiten
  • oder beim Autor (Schickhardtring 15)

Herr Groebe hat das Buch nun auch auf seiner Homepage: https://neckaralb-verlag.de/boris-dieter-50-geschichten/

Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter

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Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Bittbrief an den König 1885“

Aus dem Jahre 1885 gibt es einen erhaltenen Bittbrief an den württembergischen König Karl des damaligen Postboten für Poltringen, Oberndorf und Reusten Jakob Fritz.

Original des Berichts des Hofkammerdirektors zu der Bittschrift an den König mit Beurteilung und zuratendem Entscheidungsvorschlag

Im Archiv des Hauses Württemberg in Altshausen gibt es im Bestand Hofdomänenkammer die Menge von 1.957 Bittschriften an die württembergischen Könige Wilhelm I. (Regierungszeit 1817-1864), Karl (1864-1891) und Wilhelm II. (1891-1918). Im Rahmen seiner Etatmittel verfügte der König über die „Privatdispositionskasse“, aus der er in eigener Entscheidung Unterstützungen und Spenden an Privatpersonen und Institutionen gewähren konnte. Deshalb erreichten ihn jedes Jahr sehr viele Bittschriften, die bei der Hofdomänenkammer gesammelt wurden und hier einzeln aufgeführt sind. Die Zahl der Quadrangeln (Schriftstücknummern) bezeichnet die Anzahl der Schriftstücke zur jeweiligen Bittschrift; insgesamt umfasst der Bestand über 14.000 Quadrangeln.

In dem Bittbrief (Nr. 841/15) bittet der zum Zeitpunkt der Bittschrift schon 77 Jahre alte Jakob Fritz um Überlassung eines überzähligen Pferdes oder um finanzielle Unterstützung zur eigenen Anschaffung eines älteren Pferdes. Denn er hatte seines im Wert von 500 Mark (1 Mark = ca. 6,50 EUR, d.h. heute ca. 3.300 EUR), welches er zur Erledigung der Postzustellung zwischen der Oberamtsstadt Herrenberg und Reusten, Poltringen sowie Oberndorf durch die weiten Entfernungen und sein hohes Alter benötigte, durch ein Unglück verloren.

Da der Bittbrief am 30.05.1885 verfasst wurde, daraufhin in der Hofkammer und den Königlichen Stallungen geprüft wurde, am 08.06.1885 dann ein Bericht des Hofkammer-Direktors an den König erging und dieser dann am 11.06.1885 vom ihm bewilligt sowie eine Auszahlung von 30 Mark (d.h. heute ca. 200 EUR) an Herr Fritz angewiesen wurde, zeigt das eine beeindruckende Bearbeitungsgeschwindigkeit.

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