Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Das Wunder von St. Stephanus“
Die St. Stephanus-Kirche wurde von 1750 bis 1753 zu barocker Form umgebaut. Zu Beginn der Bauarbeiten kam es dabei am 8. Juli 1750 zu einem schweren Arbeitsunfall, der auf wundersame Weise ohne größere Folgen blieb.
Der Geselle Josef Heinrich stürzte dabei von der Turmhöhe des Glockenturms „über 100 Schuh oberhalb der Glockenlöcher“ ca. 30 m in die Tiefe „ohne ein Glied zu verletzen oder zu bluten“.
Da dies ein sehr ungewöhnliches und glückliches Ereignis war, vermerkte man dies in der Pfarrchronik. Man schrieb das damals bestimmt auch der besonderen Gesegnetheit der Kirche und des Ortes zu.
Die Modernisierung geriet übrigens dann so kostspielig, dass noch 100 Jahre später die Kirchengemeinde als „ganz verarmt“ galt.
Quelle: „Die Poltringer Gotteshäuser“ von Dieter Manz von 2010.
Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).
Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Schlossplan von 1741 und nach 1890“
Aus dem Jahre 1741 gibt es im Stuttgarter Hauptstaatsarchiv einen Lageplan des Wasserschlosses.
In der Legende sind folgende Aspekte benannt:
A) Das Schloss a) Umgang (mit früher dort vorhandenem runden Treppenturm in der Südwestecke des Schlosshofes) B) Hof C) Graben D) Amtshaus E) Neubau (heute Schlossscheuer) F) Schafhaus (heute Wohnhaus/Mühleladen) G) Mihlin / Mühle H) Waschhäusl I) Wagenschopf (heute Remise-Wohnhäuser) K) Vorhof L) Garten M) Banngarten
Es sind zudem drei Rondelle an der Umfassungsmauer erkennbar, die heute nicht mehr vorhanden sind. Wobei wohl damals schon eines halb ruinös und eines komplett ruinös war.
Im Ortsarchiv gibt es einen von nach dem Kauf des Schlossgutes 1890 durch die Gemeinde stammenden Plan. Man sieht darin, dass sich an der baulichen Situation seit 1695 kaum etwas verändert hatte.
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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Das Rittergut Poltringen im Jahre 1695“
Es gibt eine wunderschöne und detailreiche Panoramakarte über den Gesamtbesitz des Poltringer Rittergutes aus 1695. Auf ihr sind viele Aspekte zu erkennen, die bisher nicht sicher belegt oder bekannt waren. Aus der Legende ist erkennbar, dass es bei der Erstellung um Darstellung von Besitzständen, aber auch ungeklärten Besitzverhältnissen geht und die Karte wohl für eine anstehende oder laufende Rechtsstreitigkeit erstellt wurde.
Was ist hierauf Interessantes zu erkennen:
weder im Dorf noch bei der St. Stephanus-Kirche gab es damals eine Brücke
auch deutlich erkennbar bei der St. Stephanus-Kirche ist das Gebäude des früheren Frauenklosters
es sind wohl noch viele der Gebäude eventuell vom 30jährigen Krieg (1618-1648) her beschädigt / „ruinös“
die Ammersüdhänge waren durchgängig Weingärten
mitten im Schlosshof war ein Schöpfbrunnen
es gibt zu der Zeit noch beide Schlösser
die Schlossscheuer war damals schon einmal abgebrannt gewesen
das Gebäude wird hier allerdings interessanterweise als ebersteinisches (weiteres) Schloss bezeichnet
Legende („Repertorium über den Boltringischen Grundriß“), übertragen mit Hilfe von Reinhold Bauer, Entringen, Überschrift: „Grundriß und Entwurf der Atustation (Situation?) des hochgräflich wolkensteinischen Lehenbar und teils eigenen Schlossgebäude, und dieser zu Poltringen ordentlich mit Ziffern angezeigt den 28. Septembris 1695“
Schloss – „Das österreichische Lehensschloss samt seinem zugehörigen Wassergraben“
Türmchen / Mauerecke (zweimal) – „Drei alle Rondell in dem Einfang des Allody und dessen Hofraitte“
Schlosscheuer (Ruine) – „Das abgebrannte ebersteinische Schloss, so Württemberg bespricht“
Amtshaus – „Das steinerne Amtshaus und Pferdestallungen so auch mit Württemberg strittig“
Mühle – „Die Mahlmühl welche Württemberg in sein Lehen sich tendiert“
Östlicher Schlossgarten – „Der Küchengarten zum österreichischen Lehenschloss gehörig“
Banngarten Richtung Dorf – „Der Baumgarten zum österreichischen Lehenschloss gehörig“
Aible – „Der Wiesplatz und Acker, das Aible genannt zum österreichischen Lehenschloss gehörig“
Keller – „Der österreichische lehenbare Keller“
Wiesen westlich des Kellers – „Ein württembergischer Hofacker“
Banngarten Richtung Reusten – „Allda soll vor alters her der Ammerbach gelaufen sein“
Hottenbergweinberg – „Der Rebgarten am Schlossberg per dreieinviertel Morgen an welche die lehenbaren österreichischen Reben einstmals gesucht werden wollen“
Taläcker – „Ein öder Felsen auf dem alten Kelterplatz“
Schafstall – „Die eigentliche Haferscheuer und Schafsstallungen ganz ruinos“
Schlossweinberg – „Der Rebberg genannt Kaiser, welchen die mehrere für die österreichischen Lehen Reben halten wollen, desgleichen mit No. 17 in dubio“
Banngarten – „Der eigene Baumgarten oder sogenannte Bangrat von sechs Mannmahd“
Ammer – „Der Ammerbach, welcher in den österreichischen Lehensbriefen per errorem der Neccar genannt wird“
St. Stephanus-Kirche / 23 ½ Frauenkloster – „Die obere Kirch und alte Pfarr zu denen drei Dörfern Poltringen, Oberndorf und Raisten“ / „Das alte eigene sogenannte Nonnenhaus dabei, samt zugehörigem Garten“
Kirchweg nach Oberndorf – „Der Weg auf Oberndorf“
Rathaus – „Das Rathaus und Gefängnis zu Poltringen“
(altes) kath. Pfarrhaus – „Der Pfarrhof, welchen dato bei 25 Jahren der lutherische Predikant bewohnt“
St. Klemens-Kirche – „Die Capellen St. Clement, welche gedachter Predikant innehat, und darinnen der lutherischen Gemeinde Raisten alle Sonntag die Nachmittag Predigt verrichtet”
Kaplaneihaus – „Das Caplanneyhaus, darinnen dato der katholische Priester und Pfarrer wohnt, sehr ruinos“
Backhaus – „Die eigentümlich Backküche zu Poltringen“
Äcker südlich der Ammer – „Nebst dem Schloss gelegene eigene Herrschaftsäcker zum sogenannten Fronhof“
Weg nach Oberndorf – „Der untere Weg nach Oberndorf“
Oberndorf – „Der Flecken Oberndorf“
Bergschloss – „Das Ehingsche dato Pistorische Schlössl“
Reusten – „Das lutherische Dorf Raisten, dessen Inwohner die lutherische Predigt zu Poltringen besuchen“
Unterjesingen / Pfäffingen – „Das lutherische Dorf Pfäffingen von ungefähr 20 Inwohner, ist mit einer sonderen Pfarr versehen, und von Württemberg Lehen an die von Gültlingen, dato aber des Hauptmann Pistori Pfandschilling per 6000 Gulden“
Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Schönbuchwald“
Der Gemeinde Poltringen gehörte früher im Schönbuch ein großes Waldstück. Dieses hatte die Gemeinde 1820 in Ablösung ihrer jahrhundertealten Rechte als einer der historisch über 160 „Schönbuchgenossen“ vom Königreich Württemberg erhalten. Sie hatte als Nutznießer der „Schönbuchgerechtigkeit“ damals intensive Nutzungsrechte am gesamten Waldgebiet mit verbrieften Ansprüchen z.B. auf Waldweide (Vieh, Schafe und Schweine), Holzschlag, Stein, Sand, Ton und Laubstreu. Diese Rechte wurden dann ersetzt durch Zuteilung eines definierten Waldanteils, der allerdings eine Exklave zum übrigen Gemeindegebiet darstellte.
Dieser „Kommune-Wald“ lag nordnordwestlich von Schloss Hohenentringen und umfasste 88 Morgen Wald (je nach Umrechnung circa 0,28 Quadratkilometer / 28 Hektar). Er lag sehr wahrscheinlich, da in diversen angefragten Archiven inklusive des von ow-wachendorf`schen Familienarchiv keine Karten mehr existieren, in den auf der Karte rot markierten Bereichen „Schlosshau“ und „Weinsteigle / Taubenheimer Wald“ südlich des Sauruckens (Flurstücke 3157 und 4790). Die Herrenberger Oberamtsbeschreibung von 1855 berichtet dazu Folgendes: „An Waldungen erhielt die Gemeinde vom Staat im Jahre 1820 für eine Schönbuchsgerechtigkeit 88 Morgen, von denen 1/3 mit Forchen kultivirt wurde; dermalen liefern dieselben alle 2–3 Jahre etwa 2700 Stücke Wellen oder 4–6 Klafter Holz, welche an die Bürgerschaft vertheilt werden. Überdieß besitzen noch 2/3 der Gemeindeangehörigen etwa 80 Morgen Privatwaldungen, so daß einem Bürger 1/4–2 Morgen zukommen.“
Da die Gemeinde sich durch den Kauf des Schlosses und des Schlossgutes 1890 hoch verschuldete, wurde dieser Wald dann nach nur 70 Jahren im selben Jahr an die Familie von Ow-Wachendorf für 30.000 Mark verkauft (ca. heute 192.000 Euro). Sie war seit 1877 Eigentümer des Schlosses und Hofgutes Hohenentringen und konnte so ihren Besitz um Hohenentringen ergänzen. Auf dem Großteil des ehemaligen Poltringer Schönbuchwaldes wurde dann 2011 von der Familie von Ow-Wachendorf mit der Friedwald GmbH der Ammerbucher „Friedwald“ eingerichtet. Seit dem Verkauf 1890 hat Poltringen keinen Waldbesitz mehr im Schönbuch und nur noch kleinere Waldstücke im „Heidenwald“ Richtung Pfäffingen und im „Vogelsang“ und „Tannenrain“ Richtung Oberndorf.
An den ehemaligen Waldbesitz Poltringens im Schönbuch erinnern auch noch zwei Grenzsteine mit dem Poltringer „P“ von 1821. Der eine liegt zwischen dem Wanderparkplatz am „Saurucken“ und dem Friedwald und markierte damals das nördliche Ende des Poltringer Kommunewaldes. Der andere markiert das östlichste Ende des ehemaligen Poltringer Waldes nordöstlich von Hohenentringen.
Das Waldgrundstück unterhalb bzw. nordwestliche von Hohenentringen weist nach bisherigem Kenntnisstand keine „neuen“ Grenzsteine von 1821 mit Poltringer Markierung auf. Hier finden sich alte Grenzsteine mit Markierungen „HE/Hohenentringen“ oder „Abtsstab/PR + CB/Pflege Roseck + Closter Bebenhausen“.
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Für die AG „Poltringer Heimatgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Die Poltringer Heimatbücher“
Zu Poltringen gibt es bisher drei Heimatbücher. Diese sind alle im letzten halben Jahrhundert entstanden. Aus den Jahrhunderten davor gab es so etwas mangels Schriftkundigkeit, Kosten und da Geschichte eher mündlich weitergegeben wurde nicht. Eine gewisse Ausnahme stellt die jährliche Pfarrchronik dar, allerdings mit meist kurzer, unstrukturierter Dokumentation oft nur kirchlicher Ereignisse.
Das älteste Heimatbuch entstand 1971 zur 780 Jahr Feier der urkundlichen Ersterwähnung von Poltringen unter dem Titel „Heimatbuch der Gemeinde Poltringen – 1191-1971“. Es wurde von Florian Bizenberger, dem ehemaligen hiesigen Oberlehrer, verfasst und umfasst 160 Seiten und fast 50 Bilder in den Maßen 15 mal 21 cm. Es ist die erste strukturierte Schilderung der Gemeindegeschichte, eine exzellente Wissensbasis und beeindruckende Dokumentation. Es hatte in der Druckerei Ludwig Gsell eine Auflage von 2000 Stück zum Preis von damals 12 DM (ca. 6 EUR) und ist immer noch in einem kleinen Restbestand bei Herr Ortsvorsteher Reinhold Hess für 5 EUR erhältlich.
Das nächste Heimatbuch entstand zwanzig Jahre später 1991 zur 800 Jahr Feier der urkundlichen Ersterwähnung von Poltringen unter dem Titel „800 Jahre Poltringen – 1191-1991“. Es wurde von Meinrad Schmid als damaligem Ortsvorsteher herausgegeben und umfasst 112 Seiten und fast 90 Bilder in den Maßen 15 mal 21 cm. Es hat seinen Schwerpunkt auf der Entwicklung seit 1971, den örtlichen Einrichtungen und Vereinen. Es hatte in der Druckerei Claus Becht, Ammerdruck, eine Auflage von 500 Stück, ist seit 2006 vergriffen und daher leider nur noch antiquarisch erhältlich. Der damalige Preis lag bei 10 DM (ca. 5 EUR).
Das jüngste Heimatbuch entstand weitere dreißig Jahre später 2020 zum 50jährigen Gründungsjubiläum des Heimat- und Wandervereins Ammerbuch e.V. (HWV) unter dem Titel „Ein Dorf in 50 Geschichten – Funde aus der Poltringer Ortshistorie“. Es wurde von Boris Dieter, dem Co-Leiter der HWV Arbeitsgemeinschaft „Poltringer Ortsgeschichte“, verfasst und umfasst großformatig 90 Seiten und über 70 Bilder und Karten in den Maßen 21,5 mal 28,5 cm. Dieses Heimatbuch ist eine chronologisch geordnete Zusammenstellung von um die 50 Geschichten und Sagen aus der Poltringer Heimatgeschichte. Es hatte im NeckarAlb-Verlag eine Auflage von 500 Stück und ist beim Ortsvorsteher, dem HWV, dem Autor oder bei Papier Kittel für 20 EUR erhältlich.
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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Ein Poltringer Pfarrer wird fast württembergischer Bischof beziehungsweise badischer Erzbischof“
Poltringen hatte mit Heinrich von Brentano von 1795-97 einen Pfarrer mit einer sehr interessanten Lebensgeschichte. Dr. Franz Ernst Heinrich von Brentano aus dem Hause (a.d.H.) Gnosso, wie er vollständig hieß, lebte von 1768-1831. Er stammte aus einer adeligen lombardischen Familie, die 1282 erstmals urkundlich erwähnt wird und aus mehreren Zweigen besteht. Sein Vater selbst ist Berufsoffizier, der im Jahr 1774 im Kampf um Gibraltar bei Cadiz in spanischen Diensten fällt. Er ist mit der Rottenburgerin Katharina Gerber verheiratet, in deren Heimat Heinrich von Brentano auch auf die Welt kommt.
Durch den frühen Tod seines Vaters wird er bei seinem Onkel in Kempten aufgezogen und studiert dann an den Universitäten Dillingen, Freiburg, Salzburg und Wien. Danach folgten Pfarrstellen in Gebratshofen, Poltringen, Hirrlingen und Kirchen bei Ehingen an der Donau.
In Poltringen berichtet die Pfarrchronik neben seiner ebenfalls aktiven Seelsorgetätigkeit über seine Tätigkeit in Schulangelegenheiten:
„Die Schule in Poltringen war in dem elendesten Zustande. Selten wurde sie gehalten, und wenn sie auch gehalten wurde, so war sie schlecht; denn der bisherige Lehrer und Mesner Johann Joseph Kittel war zu alt; er stand bereits im zweiundsiebzigsten Lebensjahr. Pfarrer Brentano hielt um einen andern Schulmeister an und bat den Freiherrn von Raßler (Vormund des minderjährigen Freiherrn von Ulm), er möchte dem alten Lehrer statt einer Entschädigung den eben vakant gewordenen Kirchenpflegedienst und dem Ignaz Friz den Schuldienst verleihen. Am 11. November 1795 wurde Mesner Johann Joseph Kittel zum Heiligenpfleger und Ignaz Friz zum Lehrer mit Espektanz auf den Mesnerdienst ernannt. Am 18. November wurde die Winterschule feierlich eröffnet. Die Kinder mußten zuerst alle paarweise mit dem Lehrer in der Kirche erscheinen. Nach der heiligen Messe wurde sodann die seit zwei Jahren unterbrochene Sonntagsschule wieder eröffnet.“
Da er auch promovierte, einige Bücher publizierte und sich einen Namen als Religionspädagoge machte, wird er 1805/06 als erster nachreformatorischer katholischer Stuttgarter Stadt- und Militärpfarrer (seit 1534) für die damals nur rund 140 Katholiken am Hofe und in der Stadt auserwählt und Mitglied des Katholischen Kirchenrates. Seine Pfarrei, deren Kirche dem Hl. Eberhard von Salzburg geweiht ist, wurde zur Haupt- und Mutterpfarrei der Katholischen Kirche in Stuttgart. Erst ab 1806 war es in Württemberg seit fast 300 Jahren ja wieder möglich, dass Katholiken am Hofe und in der Stadt ihre Gottesdienste öffentlich feiern und eine eigene Pfarrei einrichten durften.
Aus wohl politischen Gründen und gegen den Willen Roms wurde er dann aber auf Weisung des Königs schon 1808 als Stadtpfarrer nach Radolfzell versetzt und der dortige Stadtpfarrer Johann Baptist von Keller auf seine Stelle nach Stuttgart berufen, von wo er dann 1828 zum ersten Bischof in Rottenburg ernannt wurde. Diese Willkürentscheidung des Königs beruhte wohl auf der Entscheidung Brentanos den Ehescheidungsprozess der Kronprinzessin Karolina Augusta von Bayern, der späteren Kaiserin von Österreich, in Rom anhängig zu machen. Sie war mit dem württembergischen Kronprinzen verheiratet worden, um ihm eine Heirat mit einer ihm von Napoleon ausgesuchten Partie zu ersparen. Die Ehe wurde daher auch nie vollzogen. Heinrich von Brentano verblieb in Radolfszell als Pfarrer bis 1816 und wurde dann bis 1828 Pfarrer in Löffingen auf der Baar.
1823 will ihn Papst Leo XII. dann sogar zum ersten Erzbischof des Erzbistums Freiburg berufen, was jedoch hier am Widerstand des badischen Großherzogs scheitert. Nach Löffingen ist er noch zwei Jahre Pfarrer in Kleinlaufenburg und geht dann 1830 aus gesundheitlichen Gründen in Freiburg in den Ruhestand, wo er schon 1831 stirbt.
Der Freiburger Theologe und Historiker Karl Rögele hat seine Persönlichkeit folgendermaßen beschrieben:
„Von adeliger Abkunft und vornehmer Erziehung war Heinrich v. Brentano mehr Aristokrat als Volksmann, mehr Beamter im Sinne des josephinischen Staatskirchentums als Seelsorger, mehr Pädagoge als Theologe. Er war ein Mann von hervorragender Begabung, vielseitiger wissenschaftlicher Bildung, unermüdlicher Tätigkeit und tadellosem Lebenswandel. Durch sein leidenschaftliches Temperament machte er sich alle zu Gegnern. Die Hochachtung versagte ihm aber niemand.“
Quelle: „Der Johanniterorden in Baden-Württemberg“ Nr. 128, Dezember 2013, S. 40-42, Artikel von Diethelm Lütze, Stuttgart und „Zeitschrift des Kirchengeschichtlichen Vereins für Geschichte, Christliche Kunst, Altertums- und Literaturkunde des Erzbistums Freiburg“, Band 42 (1914), Artikel Karl Rögele, S. 189-296
Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Malefizpersonen“
Aus dem Jahre 1578 gibt es ein interessantes Schreiben des Poltringer Versehers (= Pfleger und/oder Verwalter, ggf. Ortsvorsteher) und des Oberndorfer Schultheiß. Beide Gemeinden gehörten ja damals noch kirchlich und herrschaftlich zusammen. In dem Schreiben geht es um Folgendes:
Hans Hartmann, Schultheiß zu Oberndorf, und Mathias Weiß, Verseher zu Poltringen, schreiben an Graf Philipp II. von Eberstein, dem damaligen Ortsherrn von seiner Belehnung 1576 bis zu seinem Tod 1589, ob „malifizierten“ Personen in der Grafschaft oder auf Burg Eberstein (bei Gernsbach im Schwarzwald) verurteilt und in Haft gesetzt werden könnten, da vor Ort kein Gefängnis und kein Hochgericht vorhanden sind. Malefizpersonen oder „malifizierte“ Personen (von lat. malefacere: „Böses zufügen“) ist eine alte Bezeichnung für „Straftäter“.
Übertragung nur des Brieftextes (durch Reinhold Bauer, Entringen):
„Wohlgeborner gnädiger und gebietender Herr, E.(uer) G.(naden) seien unser untertänig und gehorsamer willig Dienst, jederzeit zuvor und bereit, gnädiger Herr, nach dem sich vor kurz verschiener (= vergangener) Zeit, Irrung und zweifaltige Sachen zugetragen, als das in diesen zweien Flecken malefizige Personen in Argwohn, und darüber dies Tag die Junkern und mit Vogtherren alhie gewest, und uns befolgen (angewiesen?), wir sollten Euer Gnaden zuschreiben, wann wir solche Personen gefänglich einziehen wollten, dieweil allhier kein Gefänghaus noch Hochgericht vorhanden, und damit das Übel bestraft werden möchte und auch damit wir ohne Befehl uns der Sachen nicht zuviel annehmen, ob E. G. dieselbigen malefizigen Personen, oder ob sich dergleich Sachen fürohin weiters zutragen würden, auf Eberstein gefänglich einlegen und strafen lassen wollten, oder wie man sich damit verhalten solle, bitten E. G. derwegen ganz untertänig, die wolle uns schriftlich Bescheid darum gnädig zukommen lassen wie wir mit solchen Fällen uns halten sollen, dann woll etwas daran gelegen, hiermit E. G. Gott dem Allmächtigen in seinen Schutz und uns zu deren Gnaden, untertänig Befehl, Datum den 16. Juli anno 78 E. G. untertänige und gehorsame Hans Hartmann, Schultheiß zu Oberndorf Mathias Weiß, derzeit Verseher zu Boltringen“
Anscheinend hatte man Personen vor Ort, welche schwere Straftaten begangen hatten, aber weder Möglichkeit diese zu verurteilen, (länger) einzusperren, noch die erforderliche (Todes-) Strafe zu vollstrecken. Wie der Vorgang ausging oder um welche Taten es ging, ist leider nicht überliefert. Allerdings ist auf Karten aus dem 17. und 18. Jahrhundert in der Nähe des Harthäusles (dann?) ein „Poltringer Hochgericht“ verzeichnet und im alten Poltringer Rathaus gab es zumindestens dann im 17. Jahrhundert ein Gefängnis.
Quelle: G-Rep. 102 Nr. 7368 Akten der Gräflichen Familie Eberstein, Provenienz Kanzlei Eberstein, Staatsarchiv Wertheim
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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Rottenburger Stadtarzt Johann Wittel“
Mindestens im Jahre 1631 war der aus Poltringen stammende Dr. med. Johann Wittel Stadtarzt von Rottenburg. Er hatte in Freiburg seit 1608 Medizin studiert. Von ihm weiß man vor allem deswegen, da er einige Bücher in seinem Besitz hatte, die bis heute überdauert haben und in denen er durch eine Inschrift als Besitzer des Buches ausgewiesen ist.
Bei den Büchern handelt es sich um wertvolle, meist theologische Inkunabeln, d.h. Bücher, die vor 1501 gedruckt wurden. Buchdruck gab es damals ja überhaupt erst seit ca. 1450. In diesen Büchern ist er folgendermaßen unterschiedlich neben meist anderen früheren oder späteren Besitzern vermerkt: „Ex libris Joan: Wittell Boltring: m. Doct:“, „Ex libris Joan: Wittelij Boltringensis M. Doct:“, „Ex libris Joan Wittelij Boltring: med: Doct:“, „Ex libris Joan: Wittelij Boltringensis med: Doctoris“ oder „Ex libris Joan: Wittelij Baltring. med. Doct.“.
Von ihm gibt es zudem in der Wurmlinger Kapelle ein im Zusammenhang mit einer jährlichen Weinspende 1631 gestiftetes Bild: „Schmerzensmann“. Es hängt an der Nordwand der Kapelle im hinteren Bereich unter der Empore auf Augenhöhe.
Ein weiterer Hinweis auf ihn ergeben drei Dokumente über Kreditverträge aus Freiburg von 1622 und 1623 (Universitätsarchiv Freiburg, Bestand A 104 Urkunden der Stiftungsverwaltung, S. 110, Nr. 504-506).
Andere Quellen über ihn haben leider nicht überdauert. Dies liegt sicher auch an den zwei Rottenburger Stadtbränden von 1644 und 1735, in denen neben großen Teilen der Altstadt viel Archivgut in Flammen aufging.
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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Poltringer Tapetenstreit“
Im Jahr 1847 kam es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kaufmann Gustav F. Baur und dem Sattlermeister Schwarzwälder vor dem Tübinger Stadtschultheisenamt. Dieser hatte von Baur fünf Jahre zuvor Tapeten im Wert von ca. 16 Gulden (heute ca. 270 EUR) bezogen und gab an diese für das Schloss des damaligen Poltringer Ortsherrn Freiherr von Ulm zu benötigen. Eine Zahlung an Baur erfolgte dann aber nicht und der Freiherr wie sein Werkmeister bestätigten beide, dass sie diese Tapeten nicht bekommen bzw. bestellt hätten.
Aus den vorliegenden Akten ergibt sich zudem, dass Baur dem Schwarzwälder zudem vorwarf diese Tapeten damals für sein eigenes Haus verwendet zu haben. Dies beweise, dass die jetzige Hausbesitzerin sich mit einem Probestück der Tapete an ihn gewandt hätte, da sie weitere Stücke davon erwerben wolle. Besonders ist daher die unten abgebildete Anlage der Akte dazu, ein Tapetenstück mit dem damals bestellten Dekor. Ein Urteilsspruch wurde in den bisherigen Unterlagen nicht erwähnt, vielleicht ist ein Vergleich geschlossen worden. Jedenfalls gab es ein erfolgreiches Vollstreckungsverfahren und Herr Baur kam zu seinem Geld inklusive Zinsen.
Auf dem abgebildeten Tapetenstück, das der Gerichtsakte als Beilage anlag, bestätigt der Tapetenfabrikant die Herkunft und den Verkauf der Tapete (Übertragung Joachim Renschler, Ellwangen):
„Das von K. G. Baur in Tübingen mir vorgelegte Tapeten-Muster, welches er laut Rechnungs-Auszug im September 1842 von mir bezogen hat, wurde in meiner Tapetenfabrik mit Nr. 173. zum Satin Reseda* bezeichnet, was ich andurch mit meiner Unterschrift und Geschäftssiegel bezeuge
Blaubeuren 31/8 1847 Fr. Haußmann“
*Resedagrün ist ein heller bräunlich-grüner Farbton (hier des Tapetenstoffes Satin bzw. Atlas), der aus der Resedapflanze gewonnen wird (auch „Wau“, „Färberreseda“, „Streichkraut“, „Gilbkraut“), nach dem Zweiten Weltkrieg konnte sich die Farbe als Grundanstrich für Maschinen und sonstige technische Anlagen etablieren (RAL 6011)
Quelle: ein Faszikel in den Stadtschultheißenamtsprotokollen 1847/1848 (A 70 Bü 1597), Stadtarchiv Tübingen
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Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter
Funde aus der Poltringer Ortsgeschichte – „Dr. Dr. August Hagen – Pfarrer, Kirchenrechtler, Generalvikar und `Aufrührer´“
Der als Sohn eines Bauern und Webers 1889 in Spaichingen geborene und 1963 dort gestorbene Dr. sc. pol. Dr. theol. August Hagen, der 1928-1936 Pfarrer in Poltringen war, galt in NS-Kreisen als Aufrührer, der es der Partei schwer machte im Ort Fuß zu fassen. Dies zeigte sich auch in den Wahlergebnissen, die für die NSDAP in Poltringen im regionalen Vergleich immer unterdurchschnittlich waren.
Nach Schule in Spaichingen und Rottenburg und Studium in Tübingen sowie Promotion in Staatswissenschaften und Theologie, wurde August Hagen neben seiner (ersten) Pfarrstelle in Poltringen 1930 Privatdozent an der Universität Tübingen und 1935 Professor des Kirchenrechts an der Universität Würzburg. 1947 kehrte er als Domkapitular bzw. später Generalvikar (Leiter der Diözesanverwaltung) in die Diözese Rottenburg zurück, nachdem er in kurzer Folge bei einem Bombenangriff zum Kriegsende sein komplettes Habe und schriftliche Dokumente verloren hatte (ggf. bei dem Großangriff auf Würzburg vom 16.03.1945, bei dem 90% der historischen Altstadt zerstört wurden und 4-5000 Menschen starben) und kurz später seine Schwester starb, die ihm bisher den Haushalt führte. Aus Zuneigung schenkte ihm darauf, aufgrund des Verlustes seiner materiellen Besitztümer, ein Bürger aus Poltringen sogar seinen schwarzen Hochzeitsanzug, da August Hagen nur noch die Kleider auf dem Leib besaß.
August Hagen hatte fünf Geschwister, die alle unverheiratet blieben und von denen zwei in einen Orden eintraten. Er selbst war in Poltringen ein hingebungsvoller und überaus aktiver Ortspfarrer, der sich sehr um die Erhaltung kirchlicher Gebäude trotz geringer finanzieller Mittel kümmerte. Er schuf z.B. einen Spielplatz für den Kindergarten, hielt Vorträge, organisierte, dass die Umgebung der Klemens-Kirche bepflanzt sowie wieder ansehlich gestaltet wurde und ließ Kochkurse abhalten. Nicht zu seinen Talenten gehörte, neben dem Gesang wie der damalige Kirchenchor feststellte, allerdings wohl das Autofahren, das er in seiner Poltringer Zeit erlernte. Denn man erzählte sich augenzwinkernd, dass sein Auto beim Anfahren oft eigentümliche Sprünge ausführte und eine Kuh in einem Nachbardorf von ihm ihr Geschirr abgefahren bekam. Auch eine glimpflich verlaufene Karambolage in Ehingen ist verbürgt.
Er machte schon früh öffentlich und in der Seelsorge aus seiner ablehnenden Haltung gegenüber der kirchenfeindlichen NS-Ideologie keinen Hehl und predigte auch in diesem Sinne. Dies führte dann Ende 1933 zu einem Besuch der SS und einem Streitgespräch bezüglich der Abonnierung des gleichgeschalteten “Neuen Tübinger Tagblattes”. Da er diese ablehnte, wurde er als “verdächtig” notiert und bei der Politischen Polizei (später Gestapo) angezeigt. Man vermutete ihn dann schon „auf dem Heuberg“ (das früheste Konzentrations-/“Schutz“haftlager im Raum Württemberg/Baden von März bis Dezember 1933) und glaubte, dass er nun auf der „Liste“ der neuen Machthaber sei, da hunderte deutsche, meist kath. Pfarrer, in Lagern verschwanden. Die darauffolgende Einbestellung beim Landrat und dem Kreisleiter der Partei konnte er aber dann argumentativ für sich entscheiden und ging einige Monate später nach Würzburg um dort seine neue Stelle anzutreten.
Für seine Verdienste erhielt er vom Papst 1952 den Ehrentitel “Apostolischen Protonotar” und 1959 das Bundesverdienstkreuz.
Weitere Informationen zu seiner Person finden sich in seiner Personalakte im Diözesanarchiv (Akte G 1.7.1. Nr. 2663), im kath. „Sonntagsblatt“ Nr. 9, Seite 8-10 vom 03.03.1963 und unter: http://www.se-am-dreifaltigkeitsberg.de/spaichingen/geschichte/generalvikar-august-hagen/
Wer hierzu vertiefende Informationen beitragen kann oder andere Geschichten als „Fundstücke“ beitragen möchte, kann sich gerne bei unserer AG melden (heimatgeschichte ät hwv-ammerbuch punkt de).
Für die AG „Poltringer Ortsgeschichte“, Boris Dieter